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WHV-Präsident John H. Niemann geht nach 40 Jahren von Bord

Vor dem Leuchtturmprojekt der WHV, dem Jade-Weser-Port: John H. Niemann. Nun verabschiedet sich der leidenschaftliche Macher aus dem Präsidentenamt der Hafenwirtschafts-Vereinigung. BILD: David Hecker

John H. Niemann, Architekt des Jade-Weser-Ports und langjähriger WHV-Präsident, verabschiedet sich nach 40 Jahren. Nachfolger Andreas Bullwinkel übernimmt mitten im Wandel zum Energy Hub.

John H. Niemann ist das Gesicht und die Stimme der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV). Der Präsident wird zwar nicht müde, auf die großartige Leistung seines engagierten Teams zu verweisen, weil es sich stets auf die fachkundige Unterstützung seiner ebenso wie er ehrenamtlich tätigen Vorstandskollegen verlassen kann. Doch seien wir ehrlich: Keiner hat in den vergangenen vier Jahrzehnten das maritime Wilhelmshaven nach innen und außen so energisch vertreten und maßgeblich geprägt wie der heute 77-Jährige.

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Abschied zum 40-Jährigen

Am 15. April feiert die WHV mit vielen Gästen ihren 40-jährigen Gründungstag. Genau an diesem Tag verabschiedet sich Niemann auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand - und übergibt das Präsidentenamt an seinen Nachfolger Andreas Bullwinkel.

„Der Zeitpunkt ist genau richtig, um zu gehen. Ich kann das gut hinter mir lassen“, sagt der scheidende Präsident.„Ich habe mit den Vorstandskollegen in den vergangenen 40 Jahren so viele Herausforderungen angepackt und bin so viel unterwegs gewesen, dass mein Privatleben oft zu kurz gekommen ist und ich gerade meiner Familie nicht immer gerecht werden konnte.“ So habe er es zum Beispiel nie geschafft, dass einst versprochene Baumhaus für seine beiden Kinder zu bauen.„Jetzt nehme ich mir Zeit für meine Familie und für Freunde.“

Der Sailing Cup wurde einst von der WHV ins Leben gerufen. John H. Niemann (hier mit der langjährigen Mitarbeiterin Elfriede Bandy) hat beim früheren Jade-Weser-Port-Cup immer wieder Leute für den Wilhelmshavener Hafen begeistert. BILD: Michael Halama
Der Sailing Cup wurde einst von der WHV ins Leben gerufen. John H. Niemann (hier mit der langjährigen Mitarbeiterin Elfriede Bandy) hat beim früheren Jade-Weser-Port-Cup immer wieder Leute für den Wilhelmshavener Hafen begeistert. BILD: Michael Halama
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Die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung macht sich seit vier Jahrzehnten für Belange des Hafens stark, um die wirtschaftliche Entwicklung des Hafens und der Stadt zu fördern und das maritime Bewusstsein der Wilhelmshavener zu stärken. John Niemann gehörte am 15. April 1985 zu den Gründungsmitgliedern der WHV, wurde bereits nach drei Jahren Vize-Präsident des Vereins und übernahm dann im Jahr 1991 dessen Führung.

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Persönliches Vertrauen besonders wichtig

„Seitdem ist er Präsident der WHV und je nach Bedarf mal Galionsfigur, mal Schlachtschiff - und wenn er gelegentlich lospoltert, gleicht er manchmal sogar einem Klabautermann“, heißt es augenzwinkert in der jetzt zum 40-jährigen Bestehen vorgelegten Chronik der WHV. Und was sagt der begnadete Netzwerker selbst? „Manchmal muss man einfach laut sein, wenn es gilt, seine berechtigten Interessen mit Nachdruck an den Adressaten zu bringen. Besonders wichtig ist mir jedoch persönliches Vertrauen, um gemeinsam nach vorne zu blicken und erfolgreiche Arbeit zu machen.“

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Bewusstsein für Häfen geweckt - Stadt und Region profitieren von starker Hafenwirtschaft

Erkennt der scheidende Präsident denn heute mehr maritimes Bewusstsein in der Stadt oder in der Landeshauptstadt? „Selbstverständlich, das haben wir geschafft! Es ist uns gelungen, die Bedeutung unserer Häfen in vielen Köpfen zu verankern“, sagt er entschieden. „Klar ist dennoch: Städte wie Emden und Leer haben da als traditionelle Schifffahrtsstandorte eine ganz andere Substanz. Maritim wurde in Wilhelmshaven dagegen lange Zeit nur mit Marine gleichgesetzt.“

Ein angeregter Austausch an Bord gehört beim Sailing-Cup stets dazu: Hier Netzwerker WHVPräsident John H. Niemann im Gespräch mit dem WHV-Berater Günter Reiche (verdeckt). BILD: Michael Halama
Ein angeregter Austausch an Bord gehört beim Sailing-Cup stets dazu: Hier Netzwerker WHVPräsident John H. Niemann im Gespräch mit dem WHV-Berater Günter Reiche (verdeckt). BILD: Michael Halama
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Das habe sich mit dem Wachstum der maritimen Branche und der Schaffung von immer mehr Arbeitsplätzen an der Jade gewandelt. „Die meisten Wilhelmshavener verstehen Hafen heute besser, weil sie sehen, dass die Menschen und die Stadt davon profitieren“, ist der 77-Jährige überzeugt. „Und wer wirklich Arbeit sucht, dem bieten sich in der Hafen- und Logistikwirtschaft reichlich Perspektiven!“

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Netzwerkarbeit und Marketing

Ein Beispiel, das er in Sachen Stadtentwicklung gerne nennt, ist die bei Einheimischen wie Touristen gleichermaßen beliebte Flaniermeile Jadeallee. „Ohne das maritime Netzwerk - in diesem Fall war es Turbo-Technik-Gründer Dietrich Dassler - würde es das heutige Hotel Atlantic dort nicht gegeben, denn der Investor war vom Erfolg des Jade-Weser-Port und von seiner positiven Wirkung auf die Entwicklung Wilhelmshavens überzeugt. So hat sich dort nach dem Start des Hotels eine tolle Gastronomieszene neben dem bestehenden Angebot entwickelt“, sagt Niemann.

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Neben der besonders wichtigen Netzwerkarbeit trage ein leistungsfähiges Marketing maßgeblich dazu bei, den einzigen deutschen Tiefwasserhafen im In- und Ausland bekannter zu machen. So habe die WHV gleich in der Anfangszeit versucht, Messen im In- und Ausland zu besetzen, um für Wilhelmshavens Häfen zu werben. „Das war auf Dauer personell und finanziell nicht zu schaffen. Deshalb haben wir unter Beteiligung der anderen niedersächsischen Seehäfen zunächst die Niedersächsische Hafenvertretung gegründet, aus der dann das erfolgreiche Marketingunternehmen Seaports of Niedersachsen hervorgegangen ist.“

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Tolle Unterstützung von Partnern

Ohne tatkräftige Partner und deren Unterstützung wäre vieles nicht denkbar gewesen, betont John Niemann und nennt zwei Beispiele: „Das Land Niedersachsen hat uns oft genug unterstützt und viele unserer angepackten Projekte haben wir auch dank einer tollen Zusammenarbeit mit der hiesigen Niederlassung der Niedersachsen Ports umsetzen können.“ So sei er etwa sehr stolz auf die starke Entwicklung in Wilhelmshavens Innenhafen. „Hier ist inzwischen durch das Engagement alteingesessener Unternehmen und dank neuer Aktivitäten wie dem Automobilumschlag alles ausgelastet.“ Wichtig sei ihm außerdem, dass Politik und Verwaltung erkannt haben, wie viele Menschen bei Alba am Handelshafen beschäftigt sind - und dass das Unternehmen den Standort weiterentwickeln kann.

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Eine Vision wird Realität

Der wirkliche Start Wilhelmshavens als Handelshafen war der Betriebsbeginn der Nord-West Oelleitung GmbH im November 1958. Neben dem Rohöl kam unter anderem der Kohleimport über die Niedersachsenbrücke hinzu. So hat sich der Tiefwasserhafen einen Namen als Energiedrehscheibe gemacht.

Jahrzehntelang hat die WHV deshalb ebenfalls die Bestrebungen unterstützt, ein LNG-Terminal an der Jade zu errichten. „Wir haben leider vergebens immer wieder vor der Abhängigkeit vom russischen Gas gewarnt. Unseren letzten Vorstoß, gemeinsam mit der Deutschen Flüssiggas Terminal GmbH ein LNG-Terminal zu realisieren, mussten wir 2020 beerdigen“, sagt Niemann. Und erzählt gerne, wie der damals verantwortliche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seine Absage versüßen wollte: „Machen Sie sich mal keine Sorgen, die Russen sind zuverlässig“. Letztlich kam alles anders: Ende 2022 wurde in Wilhelmshaven dann doch Deutschlands erstes LNG-Terminal in Betrieb genommen.

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Energy Hub Port of Wilhelmshaven bleibt größte Herausforderung

Der scheidende WHV-Präsident John Niemann übergibt seinem Nachfolger Andreas Bullwinkel ein gut bestelltes Haus. Der geplante Wandel weg vom Import fossiler Brennstoffe hin zu grünen Gasen als Folge der Energiewende sei jedoch eine gewaltige Herausforderung. „Die vielen ehrgeizigen Projekte für den Energie Hub Port of Wilhelmshaven sind unsere größten Baustellen für die nächsten Jahre. Vorbildlich läuft es beispielsweise bei Uniper und der Friesen-Elektra, hoffen lassen mich die geplanten Vorhaben der NWO, HES-Gruppe oder Vynova.“ Gefordert sei außerdem die Verwaltung: „Die zuständigen Genehmigungsbehörden müssen unbedingt genügend Fachpersonal vorhalten, um die häufig parallelen Genehmigungsanträge der Investoren koordiniert und zügig abarbeiten zu können.“

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Scheidender WHV-Präsident gilt als „Wilhelmshavener Hanseat“

Die wohl größte Vision für die Macher im Vorstand der WHV war der Bau eines Tiefwasser-Containerhafens an der Jade. Und sie packten gemeinsam an, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

„Das waren spannende Zeiten! Wann bekommt man schon so eine Chance?! Unser Team damals mit Hans-Peter Kramer als Volkswirt, Günter Reiche als Ingenieur und John Niemann als Marktschreier war wirklich klasse. Dazu kam unser starker damaliger Geschäftsführer Detlef Weide“, blickt der 77-Jährige zurück. „Wir haben als Hafenwirtschafts-Vereinigung jedenfalls sehr viel Zeit und Geld in das Thema Jade-Weser-Port investiert. Am Ende zählt nur das Ergebnis!“

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Der lange Weg bis zur Eröffnung des Jade-Weser-Port im Jahr 2012 böte allein schon reichlich Raum für Geschichten über das unglaublich leidenschaftliche Engagement des WHV-Teams. Legendär ist inzwischen, dass Niemann beim zähen Ringen um den Ausbau der Bahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven nebst Elektrifizierung bei einem Staatssekretär in Berlin auf dem Schreibtisch gestanden haben soll.

Von der Themse an die Jade

Wenn er nicht gestoppt wird, erzählt der 77-jährige Niemann gern eine Anekdote nach der anderen. Als Redakteur könnte man tage und nächtelang zuhören und anschließend ein Buch schreiben über seine Erinnerungen. Wobei so einiges nicht an die Öffentlichkeit gehört, wie der WHV-Präsident zwischendurch immer wieder betont. Längst sind ihm nicht mehr alle Namen präsent, doch die Ereignisse, Ergebnisse und vor allem Erfolge hat John Niemann durchweg parat.„Es gibt hier im Büro so viele Ordner voller Zeitungsausschnitte mit Artikeln über die unermüdliche Arbeit der WHV, die müsste ich mal alle sortieren lassen. Aber meine Frau fragt zu Recht: Wer soll das alles lesen wollen? Deshalb macht auch ein Buch darüber nicht wirklich Sinn.“

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Ob er daheim neben alten Akten bald auch seinen Kleiderschrank in Augenschein nimmt? Als „Wilhelmshavener Hanseat“ ist John H. Niemann ja immer korrekt gekleidet. Ob im blauen Blazer mit traditionell goldenen Knöpfen, dunklen Anzug oder etwas legerer in Chinos mit

Tweed-Sakko oder Trachtenjanker: Eine Krawatte gehört für ihn bis heute selbstverständlich dazu. „An dem Spruch, Kleider machen Leute ist viel dran - das habe ich schon früh in meinem Leben festgestellt“, sagt der scheidende WHV-Präsident. „Man wird doch ganz anders wahrgenommen, wenn man einen Anzug trägt.“ Wird man ihn künftig womöglich in Jeans und Poloshirt sehen? „Ich kann doch meine vielen Krawatten nicht alle wegwerfen!“ John Niemann schmunzelt.„Allerdings bin ich nie der Jeans-Typ gewesen. Aber in Chinos und Poloshirt bin ich gerne unterwegs. Im Büro kennen sie mich tatsächlich sogar in Strickjacke und ohne Krawatte, wenn ich niemanden erwarte“, sagt er.

Als Eurogate den Zuschlag als Betreiber des Wilhelmshavener Containerterminals erhielt (von links): Thomas H. Eckelmann, Emanuel Schiffer (damals Eurogate-Chefs), John H. Niemann und der damalige Geschäftsführer der JWP-Realisierungsgesellschaft, Helmut Werner. BILD: WHV
Als Eurogate den Zuschlag als Betreiber des Wilhelmshavener Containerterminals erhielt (von links): Thomas H. Eckelmann, Emanuel Schiffer (damals Eurogate-Chefs), John H. Niemann und der damalige Geschäftsführer der JWP-Realisierungsgesellschaft, Helmut Werner. BILD: WHV
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Der gebürtige Bremer ist gelernter Reedereikaufmann und Schiffsagent. Als junger Mann war er - nicht zuletzt dank guter Kontakte seines Vaters - in London bei einem großen Mineralölkonzern untergekommen. Wegen seiner überdurchschnittlichen Leistungen wurde ihm dort rasch Verantwortung übertragen. Da kam nach vier Jahren in „Swinging London“ 1972 die Anfrage seines Vaters, ob er nicht die Niederlassung der „Neptun Schiffahrts-Agentur GmbH“ in Wilhelmshaven übernehmen wolle.„Der Vorstandsvorsitzende in London wollte mich allerdings gerne halten und hat das meinem Vater auch mitgeteilt“, erinnert sich John Niemann. „Doch die nächste angekündigte Aufgabe bei dem Mineralölkonzern reizte mich nicht, denn ich bin schon als junger Mann nicht leicht zu führen gewesen - und bin deshalb dem Ruf meines Vaters gefolgt. Wenn auch anfangs nicht ganz so begeistert von der Idee, nach Wilhelmshaven zu gehen.“

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Grüne Hafenstadt im Weltnaturerbe

An der Jade aber lernte er seine heutige Ehefrau Hilke kennen und lieben. „Sie hat damals Jura in Freiburg studiert und wollte anschließend eigentlich nicht mehr zurück nach Wilhelmshaven...“ Niemanns Vater unterstützte seinerzeit das junge Paar und gewährte seinem Sohn beruflich einige Freiheiten. „So konnten meine Frau und ich doch recht viel Zeit gemeinsam in Freiburgverbringen.“ Heute freut sich das Ehepaar über seine sieben Enkelkinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren, die bei der Familie des Sohnes in Hamburg beziehungsweise der Familie der Tochter in Münster aufwachsen.„Enkelkinder sind doch was Wunderbares!“, sagt John Niemann voller Begeisterung. Ein Baumhaus wolle er in seinem Alter allerdings nicht mehr bauen, räumt er ein.„Ich werde mit ihnen jedoch kleine Abenteuerreisen planen - das wird ihnen gefallen. Da freue ich mich jetzt schon drauf.“

An Bord der „Twister“ und später „Avatar“ hat sich John H. Niemann mit seinem Team und vielen Gästen beim Jade-Weser-Port-Cup immer besonders wohl gefühlt. BILD: Michael Halama
An Bord der „Twister“ und später „Avatar“ hat sich John H. Niemann mit seinem Team und vielen Gästen beim Jade-Weser-Port-Cup immer besonders wohl gefühlt. BILD: Michael Halama
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Wären die Enkel noch ein wenig kleiner, müssten sie womöglich mit ihrem Opa in der Sandkiste den Wilhelmshavener Containerhafen nachbauen - selbstverständlich mit dem Ausbau im Norden als Multi-Purpose-Terminal. Auf jeden Fall aber präsentiert sich John H. Niemann in der WHV-Chronik als verantwortungsbewusster Großvater. Am Ende des Interviews sagt er mit Blick auf seine Familie mit den sieben Enkelkinder: „Vor diesem Hintergrund liegt es mir sehr am Herzen, dass alle ökonomischen Entscheidungen auch ökologisch vertretbar sind. Es geht immerhin darum, welches Erbe wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen. Wertschöpfung und Weltnaturerbe Wattenmeer müssen sich dabei nicht zwangsläufig ausschließen. Wilhelmshaven als grüne Hafenstadt am Weltnaturerbe ist daher eine Zukunftsvision, die mir ausgesprochen gut gefällt.“